Hirnatrophie und Vitamin B12
Im Intermediärstoffwechsel spielen Vitamin-B12-abhängige Methylierungs-reaktionen eine zentrale Rolle. Vitamin B12 reguliert zusammen mit 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure die Remethylierung von Homocystein zu L-Methionin und die darauf folgende ATP-abhängige Bildung von S-Adenosylmethionin (SAM). SAM ist für die meisten biologischen Methylierungsreaktionen essenziell, u.a. die Methylierung von Myelin, Neu-rotransmittern und Phospholipiden (z.B. Phosphatidylcholin). Ein diätetischer Mangel an Vitamin B12 und/oder Folsäure ist einer der häufigsten Ursachen für eine Hyperhomocysteinämie. Ein Anstieg des Homocystein-Plasmaspiegels ist ein Hinweis auf eine Störung des Methylgruppenstoffwechsels, der mit einem erhöhten Risiko für neuronale Schäden, Beeinträchtigung der Zell-proliferation und erhöhten Neigung zu Chromosomenstrangbrüchen einhergeht.
Eine Hyperhomocysteinämie und die damit verbundene Hypomethylierung des ZNS gilt als unabhängiger Risikofaktor für eine Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT). Homocystein wirkt zum einen direkt toxisch auf das vaskuläre Endo-
thel und zum anderen kann es in exzitatorisch wirkende Agonisten (z.B. Cystein-, Homocysteinsäure) des N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA)-Rezeptors umgewandelt werden. Die Stimulierung von NMDA-Rezeptoren und damit einhergehende übermäßige neuronale Erregung dürfte wesentlich zu den neuronalen Schäden beitragen.
In der großen Framingham-Studie war das Risiko für Morbus Alzheimer bei einem Homocysteinspiegel > 14umol/l nahezu verdoppelt. Erhöhte Homocysteinspiegel sind bei älteren Personen mit einem kleineren Hippocampus und einer erhöhten Atrophierate des medialen Temporallappens und der weißen Substanz verbunden [1].
In einer prospektiven Studie der Universität Oxford, die an 107 Personen im Alter zwischen 61 und 87 Jahren durchgeführt wurde, konnte eine signifikante Assoziation zwischen dem Vitamin-B12-Status und der Hirngröße nachgewiesen werden. Neben kognitiven Tests und Messung der Hirngröße mittels Kernspintomografie wurde bei den gesunden Probanden zu Beginn der Studie und danach jährlich auch die Vitamin-B12- und die Holo-Transcobalamin-(Ho-lo-TC-)Spiegel im Plasma erfasst. Nach 5 Jahren war die altersbedingte Hirnatrophie bei den Probanden mit dem niedrigsten Vitamin-B12-Status am stärksten fortgeschritten [3]. Im Vergleich zu Studienteilnehmern mit den höchsten Vitamin-B12-Ausgangswerten war die niedrigste Tertile (Vitamin-B12-Plasma-spiegel <308pmol/l, Holo-Transcobal-amin-Plasmaspiegel <54pmol/l) mit einem mehr als 6-fach erhöhten Risiko für den Verlust von Hirnvolumen assoziiert (Odds Ratio 6,17; 95% Konfidenz-intervall, 1,25-30,47). Bemerkenswert ist dabei, dass die Atrophie des Gehirns bereits bei einem marginalen und nicht nach heutiger Definition manifesten Vi-tamin-B12-Mangel auftrat.
In einer aktuellen randomisierten und doppelblinden Interventionsstudie an 168 älteren Personen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (Alter: >70 Jahre) konnte durch die Supplementierung von Vitamin B12 (500ug/d, p.o.), Folsäure (0,8mg/d, p.o.) und Vitamin B6 (20mg/d, p.o.) über einen Zeitraum von 24 Monaten gegenüber der Placebogruppe bei den Probanden mit Homocysteinwerten >13umol/l das Fortschreiten der Hirnatrophie und Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit signifikant um 53,3% verringert bzw. verlangsamt werden [2].
Literatur
[1] Gröber U. Mikronährstoffe. Metabolie Tuning - Prävention -Therapie. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2011
Aktuell OM - Zs. f. Orthomol. Meci. 2011; 2: 3-5